Mit ihren vierkantigen stechend spitzen Nadeln, ihrer schuppigen rotbraunen oder auch grauen Rinde und ihrer meist flachen Wurzel, die sich bei umgestürzten Exemplaren in einem für sie typischen Wurzelteller zeigt, ist die Gemeine Fichte (Picea abies) von anderen einheimischen Nadelbäumen leicht zu unterscheiden. Allerdings wurden für die Forstwirtschaft wie auch für Parkanlagen, Gärten usw. zahlreiche fremdländische Nadelbäume darunter auch Fichtenarten (Picea spec.) bei uns eingeführt, weshalb man ein gutes Bestimmungsbuch heranziehen sollte, wenn man eine zuverlässige Artbestimmung vornehmen möchte. Dort findet man meist auch Information über die Biologie des Baumes. Beim Kommunizieren zu diesem Thema sollte man übrigens beachten, dass in den Sprachräumen nördlich von Sachsen die Fichte üblicherweise als Tanne bezeichnet wird, was nicht selten zu Missverständnissen und Verwechslungen führt.
Unsere großen „Fichtenwälder“ und unsere Christbäume
Die Fichte ist der häufigste Baum in Deutschland. Das war jedoch nicht immer so und entspricht nicht ihrer natürlichen Verbreitung, die man gewöhnlich mit der (Heutigen) Potenziell Natürlichen Vegetation – (H)PNV – näherungsweise beschreibt. Vernachlässigt wird beim Konzept der PNV u.a. der Einfluss der ohne Einwirkung des Menschen natürlicherweise vorhandenen Tierwelt, insbesondere der großen Pflanzenfresser auf den Wald! Der Grund für die gegenwärtige Häufigkeit der Fichte bei uns liegt darin, dass sich seit Ende des 18. Jahrhunderts eine professionelle Forstwirtschaft entwickelte, die zum Ziel hat, unseren großen Bedarf an Holz zu decken, wozu die Fichte im großen Stil angebaut wird und zwar auch dort, wo sie natürlicherweise nicht vorkommt, denn sie ist relativ schellwüchsig und anspruchslos, wächst auch auf geschädigten (devastierten) Böden. Als Ergebnis sieht man oft Forstflächen, die umgangssprachlich zwar als „Wald“ bezeichnet werden, in Wirklichkeit aber fast reine Monokulturen der Fichte darstellen. Manchmal sind sie vergleichbar mit Kornfeldern – betrachtet durch ein Vergrößerungsglas. Diese klassischen „Fichtenwälder“ weisen eine vergleichsweise geringe biologische Vielfalt auf und werden deshalb heute viel geschmäht. Im Extremfall sieht man in ihnen keinerlei Bodenvegetation, also keine Moose, Gräser, Stauden und erst recht kein Unterholz, weil Lichtmangel keine Bodenvegetation zulässt.
Fichtenforst
bei Tharandt
Foto: K.-H. Müller
Trotzdem sind die Fichtenforste ein bedeutsamer Teil unseres kulturbedingten Naturerbes mit einer eigenen Begleitflora und Begleitfauna. Beispielsweise sind Heimstätte von Wintergoldhähnchen,
Sommergoldhähnchen, Tannenmeise, Haubenmeise, Erlenzeisig und Fichtenkreuzschnabel. In aufgelichteten Beständen, die eine Bodenvegetation aufweisen, findet sich meist der Buchfink ein, der
deshalb einer unserer häufigsten Vögel ist. Ebenso ist hier die
Misteldrossel zu Hause. Auf Flächen mit dichtstehenden Jungfichten (Dickungen) kommen nicht selten Heckenbraunelle und Gimpel vor. Je reicher die Struktur der Fichtenforste durch Auflichtung und
durch die Anwesenheit unterschiedlicher Altersstufen ist, desto mehr Vogelarten finden sich ein, beispielsweise Waldbaumläufer, Kolkrabe, Schwarzspecht, Sperlingskauz, Tannenhäher,
Rotkehlchen, Singdrossel, Eichelhäher, Fitis und Möchsgrasmücke.
In manchen Gegenden wie dem mittleren Erzgebirge gelten die Fichtenforste seit Langem als „der Wald“ schlechthin. Gerade auch in Anbetracht Ihrer Schlichtheit werden sie von vielen Menschen als
schön empfunden. Der Erzgebirgsdichter Anton Günter würdigt sie in seinem Lied „Wu de Walder haamlich rauschn und de Haad su rötlich blüht …“. Seit einigen Jahrhunderten schmücken die Deutschen
ihre weihnachtlichen Wohnzimmer mit Christbäumen auch Weihnachtsbäume
genannt. Früher wurden dazu vorwiegend junge Fichten genommen, die in der Forstwirtschaft beim erforderlichen Auslichten der Jungbestände ohnehin anfallen. Sie sind zwar sehr wohlriechend, haben
aber oftmals nicht die erwünschte hochsymmetrische Gestalt und sie verlieren in den trockenen, warmen Zimmern schnell ihre Nadeln. Deshalb hat die Fichte als Christbaum heute ausgedient.
Stattessen werden in speziellen Plantagen fremdländische Baumarten wie Nordmanntanne oder Stechfichte (Blaufichte) aufwändig angebaut und als nicht ganz billige Weihnachtsbäume verkauft, die
hochsymmetrisch sind und nicht so schnell „nadeln“. Aus Sicht des Naturschutzes ist es sehr zu begrüßen, dass die moderne Forstwirtschaft so genannten „Waldumbau“ betreibt, wobei die reinen
Fichtenforste in Forste mit naturnäherer
Artenzusammensetzung umgewandelt werden, indem z.B. Rotbuchen und Weißtannen gepflanzt werden. Es ist allerdings illusorisch, eine einem natürlichen Wald mehr oder weniger äquivalente Forstkultur
anstreben zu wollen. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Lebensgemeinschaften liegt darin, dass in einer Forstkultur Holz geerntet wird, während im Naturwald alle Bäume, insbesondere
auch die sterbenden und die abgestorbenen verbleiben und maßgeblich zur biologischen Vielfalt des Waldes beitragen.
Forstfläche mit älteren Fichten und angrenzendem Jungbestand (Dickung)
Foto: K.-H. Müller
Eine lange Vorgeschichte
Die Gemeine Fichte hat es in Mitteleuropa bereits im Tertiär gegeben. Sie wurde hier jedoch wie die meisten Pflanzen während der Eiszeiten verdrängt. Aus Südost- und Osteuropa zu uns
zurückgekehrt ist sie bereits vor mindesten 9000 Jahren, als man noch zu Fuß nach England gehen konnte. Sie besiedelte zunächst in die östlichen Mittelgebirge, darunter das Erzgebirge.
Fichten am Kamm des Westerzgebirges
Foto: H. Naderer
Allerdings konnte sie sich nur langsam weiter ausbreiten, da sie in den folgenden Jahrtausenden, fast überall den Laubbäumen unterlegen war. Denn nachdem der Meeresspiegel nach dem Abschmelzen
des Eises stark angestiegen war, rückte der Golfstrom näher an uns heran und es gab wärmere, längere Sommer, so dass auf den meisten Flächen Laubbäume konkurrenzstärker waren
als die Fichte, die nur in kühleren Gebieten, beispielsweise den Mittelgebirgen der Konkurrenz standhalten konnte. Den Harz erreichte sie vor etwa 6 bis 5 Tausend Jahren, die Rhön dagegen
nie.
Auch im Erzgebirge kam sie abgesehen von speziellen Standorten in höheren Lagen nur in Mischwäldern vor. Andererseits gibt es seit mindestens 5000 Jahren auch Tieflandvorkommen der Fichte in der
Lausitz, insbesondere in der weiteren Aue der Schwarzen Elster und deren Nebengewässer. Solche Zeitangaben beruhen auf der Auswertung von Pollenfunden in den Sedimenten von Mooren und Seen
kombiniert mit molekulargenetischen Methoden. Der Mensch hat spätestens seit der Jungsteinzeit (bei uns etwa vor etwa 5500 Jahren) in die Entwicklung des Waldes eingegriffen, vor allem durch
Waldweide und Ackerbau auf gerodeten Flächen. Da die Siedlungsplätze nur vorübergehend besetzt waren und wieder aufgegeben wurden, konnte sich der Wald dort regelmäßig wieder regenerieren, was
zwar langfristig zu einer Veränderung der Artenzusammensetzung des Waldes führte (insbesondere scheint die starke Ausbreitung der Buche in der Jungsteinzeit mit dieser Zivilisationsform stark zu
korrelieren), nicht jedoch zu seiner großflächigen Zurückdrängung. Die Fichte scheint davon nur wenig betroffen gewesen zu sein.
Möglicherweise haben die Steinzeitmenschen (bereits vor oder auch während der Jungsteinzeit) auch über die Jagd Einfluss auf die Waldentwicklung – beispielsweise auf die Ausbreitung der Buche
genommen. Dieser Gedanke drängt sich einem schon dadurch auf, dass man die heutigen Forstleute oft nach stärkerer Bejagung ihrer Flächen rufen hört, um dort den Einfluss der wilden
Huftiere auf die Forstkulturen zu begrenzen. Jedenfalls existierten die – wie auch immer – seit langer Zeit durch den Menschen modifizierten Wälder bei uns mindestens bis etwa ins Mittelalter um
das Jahr 1000. Nachdem jedoch die mittelalterliche Landnahme verbunden mit der Bildung von Städten erfolgt war und seit der frühen Neuzeit Schiffsbau, Bergbau, Verhüttung und Energieverbrauch
(mit Holz als Hauptenergieträger) stark zugenommen hatten, sah das Bild um 1750 ganz anders aus: Die von Wald eingenommene Fläche war nun deutlich geschrumpft und selbst auf der verbliebenen
Waldfläche gab es infolge der Beweidung und des starken Abholzens kaum noch Bäume. Viele Flächen – auch solche die heute als traditionelle Waldflächen gelten – waren nun kahl. Diese Notsituation
wurde dadurch erfolgreich überwunden, dass die
Forstwirtschaft entstand und, die bereits oben erwähnten Fichtenmonokulturen schuf.
Fichtenwälder und fichtenenthaltende Wälder
Eine für den Naturschützer besonders interessante Frage ist, ob es im großen Meer der Fichten(mono)kulturen auch noch naturnahe Waldbereiche mit Fichten gibt. Im Raum um Dresden ist dies nicht
der Fall und kann es auch nicht sein, da hier fichtenenthaltende Wälder nicht zur oben erwähnten PNV gehören. Ganz anders sieht es jedoch in Dresdens Nachbarregionen, der Oberlausitz und dem
Erzgebirge aus. Beispielsweise wird als PVN für bestimmte Bereiche der Naturschutzgebiete „Königsbrücker Heide“ und „Urwald Weißwasser“ und deren Umgebung der Tieflands-(Kiefern-) Fichtenwald
eingestuft und Reste dieser Lebensgemeinschaft sind dort tatsächlich auch noch vorhanden.
Tieflands-(Kiefern-) Fichtenwald in der Laußnitzer Heide
Foto: Gernot Engler
Fichten(moor)-Randwald im NSG „Kleiner Kranichsee“ (Westerzgebirge)
Foto: H. Voigt
Zur PNV des oberen Mittel- und Westerzgebirges gehören verschiedene Fichten enthaltende Buchenmischwälder und vor allem verschiedene Formen der Wollreitgras-Fichtenwälder und fichtendominierte
Moorwälder. In einigen erzgebirgischen NSG kann man solche naturnahen Gesellschaften noch finden (z.B. „Mothäuser Heide“, „Schwarzwassertal“, „Hermannsdorfer Wiesen“, „Moor am Pfahlberg“, „Großer
Kranichsee“, „Kleiner Kranichsee“, „Am Riedert“, „Am
alten Floßgraben“). In höheren Lagen tritt die Fichte auch in Schwarzerlen-dominierten Bachwäldern auf.
Formen unserer Gemeinen Fichte
Die äußere Erscheinungsform der Fichte und auch ihre Reaktion auf Umwelteinflüsse wir Spätfröste ist sehr variabel. So haben beispielsweise die Lausitzer Tieflandfichten ausladende Hauptäste und
breite Kronen während die Hochlandfichten des Erzgebirges eher spitze und schlanke Kronen zeigen. Solche Merkmale repräsentieren biotische Traditionen, d.h. ihre jeweiligen Träger bilden
nicht nur lokale Fortpflanzungsgemeinschaften (Populationen) sondern sie stellen oftmals auch eigene Ökotypen dar. Inwieweit und wie diese lokalen Besonderheiten im Einzelnen genetisch fixiert
sind, ist Gegenstand aktueller Forschung. Fest steht, dass das Begriffspaar autochthon/allochthon nicht ausreicht, diesen Themenkomplex angemessen zu fassen.
Quellen
Dieser Beitrag stützt sich u.a. auf Aussagen aus folgenden Quellen:
Bunzel-Drüke, M. u.a.: „Quaternary Park - Überlegungen zu Wald, Mensch und Megafauna“, 1994.
Hempel, W.: „Die Pflanzenwelt Sachsens von der Späteiszeit bis zur Gegenwart“, 2009.
Kubasch, H.: „Der Natur eine Chance – Von der Militärbrache zum Wildnisgebiet Königsbrücker Heide“, 2006.
Küster, H.:„Geschichte des Waldes. Von der Urzeit bis zur Gegenwart“, 2013.
Schmidt, P. A. , Hempel, W. u.a.: „Potentielle Natürliche Vegetation Sachsens“, 2002.
Karl-Hartmut Müller , NABU-Naturbewahrung Dresden e.V. , Dezember 2016
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